Arbeitsunfälle wegen Gewalt steigen – DiAG informiert bei Infotagung

 

Über 5.800 meldepflichtige Arbeitsunfälle wegen Gewalt gab es 2019 im Bereich der Berufsgenossenschaften. Dabei häufen sich die Arbeitsunfälle im Bereich der Krankenhäuser, stationären Pflegeeinrichtungen, Werkstätten für Menschen mit Behinderung, Heime- u. Wohneinrichtungen sowie Kindertagesstätten und der ambulanten Pflege. Waren es 2010 etwas mehr als 3.000 Arbeitsunfälle, sind es nun fast doppelt so viele.
Das sind die ernüchternden, statistischen Ergebnisse, die von Dr. Kai Hochscheid, Referent der Berufsgenossenschaft Gesundheit und Wohlfahrtspflege bei der Infotagung der DiAG-MAV im Bistum Münster im KönzgenHaus in Haltern zum Thema „Gewalt am Arbeitsplatz“ präsentiert wurden. Bestätigt wurden diese Ergebnisse durch den Vortrag von Professorin Christina Zitzmann,  Vizepräsidentin Bildung der Technischen Hochschule Nürnberg. 
Zitzmann erläuterte die Grundbegriffe zum Thema „Gewalt“ und führte aus wissenschaftlicher Sicht in das Thema ein. „Zu unterscheiden sei“, so Zitzmann, „zwischen interner und externer Gewalt in den Einrichtungen“. Zur Vermeidung von Gewalt stellte sie das von ihr gegründete Netzwerk „Bedrohungsmanagement Mittelfranken“ vor, in dem multiprofessionell Polizei, Justiz, Jugendämter, usw. organisiert sind.  Das Bedrohungsmanagement (BM) ist ein ursprünglich aus den USA stammendes Konzept zur Vermeidung von schweren, zielgerichteten Gewalttaten. Das Netzwerk setzt sich aus allen teilnehmenden städtischen sowie staatlichen Behörden und Institutionen, freien Trägern und privaten Unternehmen zusammen. Unter anderem sieht die Kooperation zwischen Organisationen und dem BM vor, interessierten Mitarbeitenden die Teilnahme an einer Erstbewerterschulung sowie anschließenden, regelmäßig stattfindenden Weiterbildungsangeboten des BM zu ermöglichen. Letztere finden circa zwei- bis viermal jährlich statt. Die ausgebildeten Erstbewerter:innen begleiten in ihrer Organisation die Implementierung eines internen Bedrohungsmanagements, stehen den Mitarbeitenden als Ansprechpersonen zur Verfügung und übernehmen, eine Ersteinschätzung von internen Bedrohungsfällen. 
Kriminalhauptkommissar Reinhard Zumdick vom Polizeipräsidium Münster stellte aus Sicht der Polizei mögliche Präventivmaßnahmen vor. Der Hashtag #sicherimdienst ist ein Präventionsnetzwerk für mehr Schutz und Sicherheit von Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen und umfasst als Netzwerkpartner über 1000 Beschäftigte aus über 350 Behörden, Institutionen, Verbänden oder Organisationen. Das Netzwerk bietet die Möglichkeit zum gemeinsamen Austausch rund um das Thema Gewalt am Arbeitsplatz und stellt Praxisbeispiele und allgemeine, sowie tätigkeitsbezogene Handlungsempfehlungen zur Verfügung. Dass auch Einrichtungen von Kirche und Caritas sich in diesem Netzwerk engagieren können, stieß auf großes Interesse der Teilnehmenden. 
Dr. Kai Hochscheid stellte als Referent der Berufsgenossenschaft Gesundheit und Wohlfahrtspflege (BGW) nach einem Kurzüberblick über Gewalt und Aggression mögliche Hilfen der BGW vor. Neben der Implementierung eines Gewaltpräventionskonzeptes, das durch die BGW kostenfrei begleitet wird, wies Hochscheid auch auf die von der BGW geförderten Qualifizierungsangebote, wie z.B. die Ausbildung zum Deeskalationstrainer hin. „Im Übrigen“, so Hochscheid „ bietet die BGW bei Gewalterfahrungen innerhalb von 14 Tagen psychologische Hilfe für fünf probatorische Sitzungen.“
Den Abschluss des Tages bildete Rechtsanwalt Dr. Thorsten Engel aus Recklinghausen, der die straf- und zivilrechtlichen Folgen von „Gewalt am Arbeitsplatz“ erläuterte. Er erklärte auch die rechtlichen Voraussetzungen für Schadensersatzansprüche von Mitarbeitenden gegenüber dem Dienstgeber.
„Wir waren nicht überrascht über die hohe Anmeldezahl von mehr als 100 Mitarbeitervertretern, da das Thema „Gewalt“ bei uns ganz oben ansteht“, so Martin Wennekers, Vorsitzender der DiAG-MAV, „aber wir waren überrascht von den immensen Nachfragen, Diskussionen und Gesprächen während der Tagung. Wir haben damit den Nerv der MAVen getroffen“. Seine Stellvertreterin, Jasmin Danielzik, die den Tag moderierte, zeigte sich ebenfalls sehr zufrieden. „Wir könnten schon bald eine weitere Tagung zu diesem Thema durchführen, denn es gab viele Anregungen der Vortragenden, in manche Ecken nochmal genau zu schauen. Das behalten wir im Blick.“